Rapper mit Courage
- Robert Rienass
- 11. März 2016
- 7 Min. Lesezeit
Er singt gegen Rassismus und lobt das Mühlenbecker Land - Ein Gespräch mit dem Rapper „Presto“ (zuerst erschienen im Mühlenspiegel)

Mit 13 Jahren beginnt Martin W. alias „Presto“ seine Musikkarriere. 2007 steht er zum ersten Mal auf der Bühne eines Rap-Turniers. Im vergangenen Jahr veröffentlicht er seine erste eigene Single. Nun soll ein Album folgen. Wer ist der junge Mann mit den schwarzen gegelten Haaren und der hohen Gesangsstimme?
„Ich wollte raus aus der Rap-Battle-Szene und eine andere Seite von mir zeigen.“
Mit dem Song „Feuermelder“ hast Du Ende des vergangenen Jahres deine erste eigene Single herausgebracht. Wie ist der Titel entstanden?
Vergangenes Jahr habe ich am RapTags-Wettbewerb teilgenommen, hier ist das Lied ursprünglich entstanden. Allen Rappern standen für das Turnier verschiedenen Beats von den unterschiedlichsten Produzenten zur Verfügung. Unsere Aufgabe war es, sich für ein Instrumental zu entscheiden und anschließend einen Song daraus zu entwickeln. Ich habe lange überlegt, welcher Beat am besten zu mir passt und bin schließlich auf ein Instrumental vom Produzenten „KD Supier“ gekommen, der mir sehr gut gefallen hat. Gemixt wurde das Ganze von True Busyness, der an etlichen Platinproduktionen in der Musikszene beteiligt war. Dann habe ich angefangen, einen eigenen Text zu schreiben. Ich wollte raus aus der Rap-Battle-Szene und eine andere Seite von mir zeigen. Also habe ich mich den aktuellen gesellschaftlichen Problemen gewidmet und einen sozialkritischen Song draus gemacht.
In dem Lied verspottest Du die Flüchtlingsgegner und übst Kritik an der Regierung. Textpassagen wie „Mensch ist gleich Mensch“ oder „Wer Waffen sät, wird auch Flüchtlinge ernten“ bleiben dem Hörer im Gedächtnis. Inwieweit drückt der Song dein politisches Weltbild aus?
Ich schreibe prinzipiell nur über Dinge, die mich wirklich interessieren oder die ich erlebt habe. Alles andere wäre nicht authentisch. Mit meiner Musik versuche ich immer das auszudrücken, was ich denke. Die Flüchtlingssituation beschäftigt mich schon seit langem.
Ich bin immer wieder erstaunt über die Art und Weise, wie unsere Politiker mit diesem Thema umgehen. Für mich zeigen viele von ihnen nur eines: Unfähigkeit. Gleichzeitig bin ich auch genervt von den „besorgten Bürgern“. Sie schüren Ängste, die völlig unbegründet sind und beschuldigen die Flüchtlinge für ihre eigenen Fehler. Deshalb finde ich es auch mal gut, wenn sich Leute wie Frau Wagenknecht oder Herr Gysi in den Bundestag stellen und Klartext reden, ohne Angst vor Konsequenzen zu haben. Sie drücken aus, was viele Bürger in unserem Land denken.
Klingt als seist Du ein politisch sehr aktiver Mensch.
„Politisch aktiv“ ist vielleicht der falsche Ausdruck. Ich bin in keiner Partei oder einem Verein. Aber ich interessiere mich sehr für Politik und beschäftige mich viel mit unserer Gesellschaft und dem aktuellen Zeitgeschehen. In meinen Liedern versuche ich diese Themen aber nicht eins zu eins zu übertragen, sondern gehe die Gesellschaftsprobleme eher mit Humor und subtiler Kritik an.
Was erwartest Du von der Regierung und der Gesellschaft?
Die deutsche Gesellschaft hätte schon längst aufstehen müssen und ein Zeichen setzen sollen, gegen die staatliche Überwachung oder das Bankensystem beispielsweise. Wir Bürger lassen uns viel zu viel gefallen von Politik und Wirtschaft. Und nun haben wir Organisationen wie Pegida oder die AfD, die die Unwissenheit vieler Menschen im Land ausnutzen und Propaganda betreiben. Ständig heißt es: „Ich alleine kann doch eh nichts machen“. Aber
das ist quatsch. Denn wenn sich alle zusammenschließen, ist eine Menge möglich. Aber solange sich die Menschen selber kleinreden, können sie natürlich nur wenig ausrichten.
Ich selbst lese keine Zeitung und sehe auch kein Fern mehr. Ich bin skeptisch gegenüber den Medien, weil mir die Berichterstattung schlicht und ergreifend zu einseitig geworden ist.

Aktuell lebst Du in Schildow, aufgewachsen bist Du jedoch in Oranienburg.
Wie hast Du die Jahre deiner Kindheit und frühen Jugend verlebt?
Als Kind bin ich sehr gut aufgewachsen. Später, als ich auf das Gymnasium gegangen bin, hatte ich keinen so guten Umgang mehr. Ich habe die Schule vernachlässigt und die falschen Leute kennengelernt. Wir haben viel Mist gebaut, fast wäre ich auf die schiefe Bahn geraten. Aber der Fußball hat mir immer wieder Halt gegeben, und später hat mir auch die Musik dabei geholfen, all meine Erfahrungen zu verarbeiten. Später bin ich auf ein Oberstufen-zentrum gegangen und habe mein Abitur gemacht. Ich habe mich glücklicherweise gefangen. Zu einigen wenigen Leuten aus meiner früheren Jugend habe ich noch heute guten Kontakt. Mit ein paar von ihnen habe ich damals angefangen Musik zu machen.
Deine Rap-Karriere hast Du bereits im Alter von 13 Jahren begonnen. Erzähl uns bitte von deinen Anfängen.
Schon als kleiner Junge konnte ich gut reimen und war sehr kreativ, ohne zu wissen, dass ich damit mal etwas anfangen könnte. Durch meinen Cousin bin ich auf Rap und Hip Hop aufmerksam geworden. Er hat früher viel Eminem und Aggro Berlin gehört. Das fand ich toll. Die Musik hat mir auf Anhieb gefallen. Mit ca. 10 Jahren habe ich angefangen Lieder von Rap-Stars einzustudieren und nachzusingen. Später, so mit 13, habe ich gemeinsam mit
meinem besten Freund Rismo meine ersten eigenen Texte zu Beats aus dem Internet geschrieben. Wir saßen jedes Wochenende bei ihm zu Hause auf dem Dachboden und haben gerappt. Das war eine tolle Zeit.
„Rap ist Musik. Und Musik ist Kunst. Das Beleidigen anderer Rapper ist ein Stilmittel, dass in unserer Branche ganz alltäglich ist.“
Deinen ersten Durchbruch hattest Du in den Jahren 2007 und 2008, beim Musikwettbewerb „Rap am Mittwoch“. Gleich bei deiner ersten Teilnahme bist Du ins Finale eingezogen. Im Jahr darauf hast Du das Turnier gewonnen. Kannst Du die Gefühle beschreiben, die Dich bei deinem Sieg begleiteten?
Es ist ein tolles Gefühl, erstmals auf einer großen Bühne zu stehen und zu hören, wie das Publikum einem zujubelt. Ich war wie elektrisiert. Schon vorher hatte ich an ein paar Battle-Rap-Turnieren in Oranienburg teilgenommen. Ich wusste, dass ich ganz gut reimen und rappen kann. Aber dass ich so schnell den Titel bei „Rap am Mittwoch“ hole, hätte ich nicht gedacht. Noch heute sprechen mich Leute auf meinen Sieg von damals an und bejubeln meine Leistung von früher.
Im Battle-Rap geht es hauptsächlich darum seinen Gegner zu beleidigen. Sind diese harten Äußerungen über andere Rapper ernst gemeint oder sind die Texte nur Teil der Show?
Nein. Rap ist Musik. Und Musik ist Kunst. Das Beleidigen anderer Rapper ist ein Stilmittel, dass in unserer Branche ganz alltäglich ist. Als Rapper musst du dem Publikum ein Spektakel bieten, ähnlich wie die Gladiatoren früher im Kolosseum. Deshalb geht man mit ein paar harten Worten auf die Bühne, um den anderen mit seinen Texten fertig zu machen, sodass die Zuschauer brüllen. Ein guter Vergleich sind Blondinen-Witze. Sie sind meist hart, aber sie dienen dem Humor, sollen belustigen und auf gar keinen Fall diskriminierend herüberkommen. Genau so ist das im Battlerap auch. Das „Dissen“ dient ausschließlich der Show.
Du bist also mit niemandem deiner Rap-Gegner verfeindet?
Natürlich gibt es den ein oder anderen Gegner, den man nicht so richtig mag. Dann macht es natürlich umso mehr Spaß, beleidigende Texte über ihn zu schreiben und diese vor dem Publikum vorzutragen. Aber ich bin mit niemandem von den Jungs in meiner Szene ernsthaft verfeindet. Ich habe auch schon gegen meine eigenen Freunde gerappt. Es ist ähnlich wie im Fußball. Während des Spiels vergisst man die Freundschaft, fokussiert sich nur auf Ball und Gegner, und nach dem Spiel gibt man sich wieder fair die Hand und verträgt sich miteinander.
Was fasziniert Dich an Deutschrap und Hip-Hop?
Hip-Hop und Rap sind sehr vielfältig. Diese Musik bietet einen unglaublich großen Spielraum. Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten zu reimen und zu texten und gleichzeitig variieren die Stile im Rap. Einige Rapper sprechen mit ihrer Musik soziale Probleme an, andere erzählen über ihre Vergangenheit oder die Liebe zu einer Person. Schlager oder Pop finde ich vergleichsweise viel zu festgefahren. Allerdings ist auch der Rap-Markt sehr überflutet. Es ist schwer, eine Marktlücke zu finden. Gerade deshalb versuche ich meine Musik in Zukunft noch persönlicher und greifbarer zu gestalten.
Viele deiner Lieder sind als Videos auf YouTube zu sehen. Können
sich deine Fans auch bald auf ein erstes Album von Dir freuen?
Ich arbeite gerade an einer kleinen Platte, die wahrscheinlich im Mai oder Juni diesen Jahres herauskommt. Die beiden Produzenten „Scaletta“ und „A-Side“ haben für mich die Beats gemacht. Ich bleibe musikalisch beim Battle-Rap, möchte aber in meinen Texten noch ehrlicher werden und meinen Humor mit einspielen lassen.

Im Internet kursiert ein amüsantes Video von Dir, in dem Du nach Hause sprintest, um auf der Playstation „Fifa“ zu spielen. Bist Du ein leidenschaftlicher Zocker?
Ja (lacht). Man könnte fast sagen, dass ich extrem süchtig bin nach diesem Videospiel. „Fifa“ hat mich in der Vergangenheit schon oft an meiner eigentlichen Arbeit gehindert.
Was machst Du, wenn Du nicht gerade singst oder Playstation spielst?
Dann spiele ich Fußball. Ich bin ein richtiger Sportfanatiker. Seit Jahren bin ich im Verein, gehe nebenbei viermal die Woche zum Fitnesstraining. Seit dreieinhalb Jahren habe ich eine Freundin.
Du lebst seit einiger Zeit in Schildow. Was verbindet einen jungen Musiker wie dich mit dem Mühlenbecker Land?
Meine Freundin kommt aus Schildow. Ich wohne noch in Oranienburg, aber ich gehe sie sehr oft besuchen. Ich fühle mich in Schildow sehr wohl. Ich muss nicht direkt in der Großstadt leben. Ich finde es viel schöner, wenn ich nach einem stressigen Tag nach Hause fahre, die grüne Landschaft und die Ruhe genieße und einfach entspannen kann.
„Meiner Meinung nach ist Schildow eine der schönsten Wohngegenden. Gerade für junge Familien ist der Ort perfekt.“
Was gefällt Dir an Schildow besonders gut?
Ich fühle mich hier sehr heimisch. Meiner Meinung nach ist Schildow eine der schönsten Wohngegenden. Gerade für junge Familien ist der Ort perfekt. Die Kinder wachsen draußen im Grünen auf, können toben und spielen, und auch die Eltern sind weit weg vom hektischen Großstadtdschungel. Allerdings würde ich mir eine bessere Bahnverbindung wünschen. Ohne Auto ist man hier ganz schön aufgeschmissen (lächelt).
Als Musiker kommt man viel herum in der Welt. Meinst Du mit dem Mühlenbecker Land trotzdem einen Ort gefunden zu haben, an dem du sesshaft werden möchtest?
Ich kann mir sehr gut vorstellen, hier zu bleiben oder noch einmal in das Mühlenbecker Land zurückzukehren. Denn hier ist die Welt noch in Ordnung. Hier grüßt sogar der Nachbar, was in Berlin undenkbar wäre. Und wie gesagt: Für junge Familien gibt es nur wenige Gegenden, die besser zum Wohnen geeignet sind.
Text: Robert Rienass
Fotos: Volker Agueras Gaeng, Oscar Oppermann




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