Zu Gast bei den Schönen und Reichen
- Robert Rienass
- 20. Nov. 2019
- 5 Min. Lesezeit
Eine Fahrradtour durch Clifton und Camps Bay - Reisebericht von Robert Rienass

Up-Cycles ist der erste Drop-and-Go-Fahrradverleih in Kapstadt. Seit 2017 ist die Firma an drei Standorten der Stadt vertreten. Während meines Aufenthalts in Südafrika habe ich die Räder getestet und bin vom Sea Point aus entlang der Atlantikküste bis zum Reichenviertel Camps Bay gefahren. Welche Eindrücke und Erfahrungen ich auf meiner Tour gemacht lest ihr hier.
Startpunkt Sea Point
Ich befinde mich am Sea Point, einem der noblen Orte Kapstadts. Das Viertel liegt zwischen dem Atlantik und dem Signal Hill. Es beherbergt ein großes Wohngebiet am Hang des Bergs sowie zahlreiche Restaurants und Freizeitmöglichkeiten direkt am Wasser. Sea Point gilt als ein beliebter Treffpunkt für Sportler und Aktivurlauber. Schaut man zum Himmel hinauf, entdeckt man viele Paraglider. Auf den Straßen tummeln sich Jogger, das Meer gehört den Kite-Surfern.
Die bekannteste Straße Sea Point’s ist die Beach Road. Parallel zu ihr verläuft die Sea Point Promenade. Sie ist ein Schauplatz des multikulturellen Lebens in Kapstadt. Während eines Aufenthalts in der Fußgängerzone trifft man auf Dunkelhäutige, Farbige, Weiße und Menschen mit arabischem Migrationshintergrund. Die Sea Point Promenade beginnt im benachbarten Green Point, der Heimat des Fifa-Fußballstadions von Kapstadt und endet nach 11 km am Sounder’s Rocks Beach. Ihr Weg führt entlang an zahlreichen Strandabschnitten, Schwimmbädern und Food-Ständen mit kapmalaiischer und türkischer Küche. Am südwestlichen Ende der Promenade stehen mehrere öffentliche Outdoor-Fitnesscenter.

Up-Cycles
Ich stehe am Stand von Up-Cyvcles, dem ersten Drop-and-Go-Fahrradverleih in Kapstadt. Von hier aus starte ich eine Radtour nach Camps Bay. Die Vermieterin meiner Lodge hat mir die Route und Up-Cycles wärmstens empfohlen. Als ich an der Ausleih-Station eintreffe, kommt ein Angestellter freundlich lächelnd auf mich zugelaufen. Der Mann ist circa einen Meter siebzig groß, Mitte dreißig, dunkelhäutig und trägt ein weißes Shirt und eine grün-schwarze Cargo-Hose. Er streckt seine Hand nach mir aus und sagt: „Hey, I am Ben.“ Ich nehme die Begrüßung herzlich an und stelle mich ihm ebenso vor. Ich berichte Ben von meinem Vorhaben und bitte ihn um ein Bike. Er nickt und zeigt auf eines der orangefarbenen Räder in der Mitte des vor uns stehenden Fahrradständers. Ich gehe auf das Fahrgerät zu und und begutachte es. Der breite Lenker und der etwas nach hinten gelehnte Sitz gefallen mir. Ich schaue zurück zu Ben und stimme seiner Wahl zu. Er lächelt erneut und entsperrt das Rad für mich.
Gemeinsam schrauben wir am Sattel, bis er die für mich passende Höhe erreicht hat. Ich frage Ben nach dem Weg. Er versichert mir, es gebe nur einen Weg Richtung Camps Bay und betont, ich solle auf dem Bürgersteig bleiben und nicht auf der Straße fahren, das sei zu gefährlich. Ich bedanke mich für die Informationen bei ihm, schwinge mich auf das Citybike und drehe eine Proberunde. Für die Ausleihe gebe ich meinen Namen, meine Handynummer und Email-Adresse an. Die Bezahlung erfolgt im Voraus per Kreditkarte.

Up-Cycles besitzt jeweils eine Filiale an der Waterfront, dem Sea Point und in Camps Bay. Kunden können sich ganz bequem und unkompliziert ein Rad an einem der drei Standorte für drei bis vier Euro pro Stunde borgen. Prinzipiell kann man das gesamte Stadtgebiet abfahren. Es empfiehlt sich jedoch die Route der Atlantikküste, entlang der drei Leih-Stationen zu wählen. Die abwechslungsreiche Umgebung und die gut ausgebauten Wege in diesem Gebiet sind prädestiniert für eine Radtour mit Freunden, der Familie oder allein.
Kurven und steile Passagen
Nun darf ich starten. Vor mir liegen die Beach Road, der Signal Hill und eine Reihe stilvoller moderner Apartmenthäuser. Eine Betonmauer zur Wasserseite schützt vor den tosenden Wellen des Atlantiks. Der Weg unter mir ist gepflastert. Die ersten Meter der Radtour empfinde ich als äußerst anstrengend. Der Wind bläst stark entgegen meiner Fahrtrichtung. Ich trete mit aller Kraft in die Pedalen und komme mir dabei wie ein kleiner Schuljunge vor, der zum ersten Mal auf ein Rad steigt. Ich schwanke eine Weile lang von links nach rechts, ehe ich mein Gleichgewicht gefunden habe. Insgeheim habe ich jetzt schon keine Lust mehr. Doch der Gedanke an die Schönheit meiner Destination motiviert mich.
Die Straße nach Camps Bay ist bergig. Auf meiner Route passiere ich viele Kurven und steile Passagen. Zu meiner rechten erscheinen gelegentlich Aussichtsplattformen, von denen ich einen guten Blick auf den Ozean und die Pracht der Häuser habe. Ich fahre tiefer ins Wohngebiet hinein und entferne mich mehr und mehr von der Promenade.
Nach circa zwanzig Minuten Fahrt lege ich den ersten Stop ein. Ich steige vom Rad ab, verschnaufe und lasse die Umgebung auf mich wirken. Ich spüre die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut und genieße den kühlen Wind des Ozeans. Über mir kreist ein Greifvogel. Um mich herum ist es ruhig. Ich höre nur das Wellenrauschen. Selten die Motorengeräusche vorbeifahrender Autos. Ich zücke meine Kamera und schieße ein paar Fotos von den Gebäuden, die mich umgeben. Dann steige ich wieder aufs Rad und verlasse Sea Point.

Das Beverly Hills von Kapstadt
Der nächste Ort auf meiner Route heißt Clifton Bay. Er ist neben seinen luxuriösen Anwesen für seine vier Strandabschnitte bekannt, die nicht nur junge Leute, Familien und Surfer anziehen, sondern auch die Schwulen- und Lesben-Szene Kapstadts. Im Sommer versammeln sich Einheimische und Touristen an der Bucht, um sich zu sonnen oder bei einem Picknick den malerischen Sonnenuntergang zu genießen. Clifton bietet zwar keine Sehenswürdigkeiten, dafür aber eine ruhige Atmosphäre, tolle Natur und exklusives Wohnen. Die Lage am Hang des Lion’s Head mit freiem Blick auf den Atlantik hat seinen Preis. Die günstigste Immobilie in Clifton kostet etwa fünfhunderttausend Euro. Der Ort wird als das Beverly Hills von Kapstadt bezeichnet.
Die Häuser um mich herum werden größer und prunkvoller. Ich blicke in die Einfahrten der umliegenden Grundstücke und sehe teure SUVs und Sportwagen. Der Weg vor mir windet sich weiter zwischen den Luxusvillen an der Felsenküste entlang. Das dicht bebaute Gebiet lichtet sich allmählich und erlaubt mir einen ersten Blick auf die Zwölf Apostel. Ich nehme die in Nebel gehüllten Spitzen des Gebirgszugs wahr. Rechts von mir, am unteren Ende der Steilküste sehe ich die Bucht von Clifton und seine vier Strände, die durch grau schimmernde Gesteinsbrocken voneinander getrennt sind. Die Straße führt mich hinunter zum Ufer. Ich steige erneut vom Rad, ziehe mir die Schuhe aus und laufe barfuß durch den feinen warmen Sand. Ich bemerke, dass die Fahrradtour eine gute Möglichkeit ist, um die Schönheit der luxuriösen Kapstädter Vororte in aller Ruhe genießen zu können. Ich blicke aufs Meer hinaus. Das Wasser des Atlantiks glitzert türkis-blau. Ich verweile ein paar Minuten, ehe ich weiter fahre.

Eine außergewöhnliche Eisdiele
Nach etwa einer Stunde erreiche ich das Zentrum von Camps Bay. Exklusive Restaurants, Bars und Cafés säumen den Weg, der erneut die Gestalt einer Promenade annimmt. Im Hintergrund stehen weiß gestrichene Neubauten mit riesigen Glaselementen. Einige der Villen sind in die Felswand der Zwölf Apostel hineingebaut. Gut gekleidete Leute sitzen auf den Terrassen der Lokale, essen Hummer, trinken Champagner oder genießen eine Tasse Kaffee. Ich halte Ausschau nach Stars wie Leonardo Di Caprio und Zac Efron, die hier gelegentlich ein und ausgehen sollen. Vergeblich. Ich entdecke keine berühmte Persönlichkeit.
Stattdessen eine Eisdiele mit dem außergewöhnlichen Namen Sinnfull Ice Cream Emporium. Ich betrete das Geschäft und begrüße freundlich die zwei Verkäuferinnen hinter der Theke. Erwartungsvoll schaue ich durch das Glasfenster der Kühltruhe. Vor mir erstreckt sich eine riesige Auswahl an ausgefallenen Sorten. Mischungen wie Honig-Kaffee, Pistazie-Maracuja und Joghurt-Herbs. Ich entscheide mich für eine Kugel Heavenly Hash, eine Mixtur aus Marshmallows, Chocolate Chips, Karamellbonbons und Vanilleis. Ich tauche vorsichtig mit einem Löffel in die Eiscreme ein und nehme den ersten Bissen zu mir.
Meine Skepsis schlägt in Begeisterung um. Ich erlebe eine atemberaubende Geschmacksexplosion. Ich bezahle und bedanke mich bei den Verkäuferinnen. Als ich den Laden verlasse, mache ich mich auf den Weg zum Strand. Ich setze mich auf einen der großen Felssteine und genieße den Ausblick auf den Atlantik. Ich stelle fest, dass der Ort eine magische Wirkung auf mich hat. Das Meer, die Wellen, der weiße Sandstrand, der Wind, die Atmosphäre, all das fasziniert mich. Ich male mit einem Stein ein Herz in den Sand, als Zeichen meiner Dankbarkeit und blicke zum Himmel.
Text: Robert Rienass
Bilder: TripAdvisor, Up-Cycles, bicyclesouth.co.za, Robert Rienass
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